Unlängst stand ich in einem Abschlusskreis Hand in Hand mit einer Gruppe von 5-Rhythmen-Tänzer*innen. Dieser Kreis blieb offen und hatte eine Lücke. Die Person neben mir hatte beide Arme vor der Brust verschränkt und wollte dieses Kreisrund nicht schließen. Es war ein starkes Statement und hat mich zum Nachdenken angeregt. Nicht nur über die Beweggründe dieser einzelnen Person, die davor mit vielen Menschen in einem großen Raum zwei Stunden lang getanzt, geschwitzt und geatmet hat, sondern auch über das Thema Berührung und die Scheu davor.
Das Hände geben oder auch Hände halten gehört nicht mehr zu unserem Alltag. Seit März 2020 gibt’s kein Händeschütteln mehr. Ehemals eine Selbstverständlichkeit für uns alle, ist es wie von unsichtbarer „Hand“ verschwunden. Geblieben ist das freundliche Begrüßen, manches Mal ein Ellenbogen oder bei mir das indische Namasté mit gefalteten Händen vor der Brust. Mit der Maske vorm Gesicht wird das Ganze noch schräger. Habe ich neue Kundinnen vor mir, so nehme ich zunächst die Maske ab, damit sie mein Gesicht sehen können. Es erscheint mir wichtig, dass meine Kundinnen im Vorgespräch mein Antlitz gesehen haben, bevor ich ihre Körper berühre.
Nach jahrelanger Routine haben sich meine eigenen Berührungsängste sehr stark reduziert und ich bin froh mit den Kennenlern-Szenarien im Erstkontakt gut vertraut zu sein. Körperberührungen sind nun mal eine intime Angelegenheit, die ein gewisses Maß an Vertrauen und Sympathie voraussetzen. Mit dem Corona-Virus sind nochmals Hürden hinzugekommen. Es war noch nie selbstverständlich, sich auf eine Massageliege zu legen und am ganzen Körper fremde Hände zu spüren.
Der Wunsch nach Massagen und Körperberührung ist nach wie vor groß und die Menschen, die zu mir kommen, sind noch ein bisschen dankbarer geworden. Es ist ein Privileg viele Menschen mit meinen Händen und Worten berühren zu dürfen.
Der US-Forscher und Pharmakologe Saul Schanberg, schreibt wie essentiell wichtig Berührungen sind:
„Berührung ist zehnmal intensiver als verbale oder emotionale Kontakte. Kein anderes Sinnesorgan stimuliert uns so sehr wie der Fühl- oder Tastsinn. Dafür gibt es eine biologische Grundlage. Wenn sich Berührung nicht gut anfühlte, gäbe es keine Artenvielfalt, keine Eltern, kein Überleben. Berührung ist nicht nur ein grundlegendes Bedürfnis, sondern der Schlüssel für das Überleben unserer Art.“